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Schon jetzt die Weichen für die Umsatzbesteuerung im Jahr 2022 stellen – Pauschalierung für viele Betriebe bald nicht mehr zulässig

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Thematik: Steuern und Rechnungswesen

Auch wenn die neue Umsatzbesteuerung in der Landwirtschaft erst im nächsten Jahr zur Anwendung kommt, werden auf den Betrieben schon jetzt die Weichen dafür gestellt. Grund ist, dass sich die neu eingeführte Umsatzhöchstgrenze für die Pauschalierung von 600.000 Euro auf den Gesamtumsatz des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres bezieht – für 2022 also auf die Umsätze im Jahr 2021.

Mit der zum 01.01.2022 in Kraft tretenden gesetzlichen Neuregelung der Umsatzbesteuerung in der Land- und Forstwirtschaft will die Bundesregierung nach langem Streit mit der EU-Kommission Rechtssicherheit schaffen. Doch auf vielen Betrieben sorgt sie derzeit für Unruhe, denn: Pauschalierung möglich oder nicht, das ist künftig davon abhängig, ob die neu eingeführte Umsatzgrenze eingehalten wird.

Die neue Regelung wird erstmals für Umsätze ab 2022 angewendet. Nur wenn der Gesamtumsatz des Unternehmens im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen hat, darf für einen landwirtschaftlichen Betrieb die Umsatzsteuer noch pauschaliert werden. Der Bezug auf den Vorjahresumsatz hat zur Folge, dass schon im laufenden Jahr 2021 die umsatzsteuerlichen Weichen gestellt werden. Daher lohnt ein genauer Blick auf das, was eventuell auf Sie zukommen wird.

 

Gesamtumsatz beinhaltet alle steuerbaren Umsätze, nicht nur die aus Landwirtschaft

Ein zentraler Punkt bei der Prüfung, ob in 2022 für Ihren Betrieb weiterhin eine umsatzsteuerliche Pauschalierung zulässig ist oder nicht, betrifft die rechtliche Definition des Gesamtumsatzes. Maßgeblich ist der steuerbare Umsatz des gesamten Unternehmens im vorangegangenen Kalenderjahr. Damit zählen alle steuerbaren Umsätze zum Gesamtumsatz, nicht etwa nur jene, die Sie im landwirtschaftlichen Betrieb erzielen. Unberücksichtigt bleibt hingegen alles, was umsatzsteuerrechtlich nicht steuerbar ist. Dazu zählen zum Beispiel Betriebsprämien.

Beispiel: A erzielt 2021 im landwirtschaftlichen Betrieb Umsätze aus Produktverkäufen von 450.000 Euro. Außerdem erhält er Betriebsprämien von 30.000 Euro. Auf den Dächern der Stallgebäude betreibt A Photovoltaikanlagen mit einem jährlichen Umsatz von 100.000 Euro. Zudem erzielt A aus der kurzfristigen Vermietung von Ferienwohnungen einen jährlichen Umsatz von 60.000 Euro. Schließlich ist A an einem Bürgerwindpark in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG beteiligt.

Der Gesamtumsatz von A im Jahr 2021 beträgt 610.000 Euro. Die Betriebsprämie ist nicht steuerbar und deshalb nicht einzubeziehen. Die Beteiligung am Bürgerwindpark spielt für die Ermittlung des Gesamtumsatzes des Unternehmens von A ebenfalls keine Rolle, da es sich bei der GmbH & Co. KG um ein anderes Unternehmen handelt. A überschreitet die Umsatzgrenze von 600.000 Euro und darf 2022 die Umsätze aus Landwirtschaft nicht mehr pauschalieren.

 

Besonderheit bei unentgeltlichen Wertabgaben

Haben Sie unbare Entnahmen oder andere unentgeltliche Wertabgaben in Form von Lieferungen oder sonstigen Leistungen erhalten, ist zu prüfen, ob in Zusammenhang damit ein Vorsteuerabzug beansprucht wurde oder nicht. Dies ist Landwirten in der Regelbesteuerung erlaubt. Wurde die Vorsteuer abgezogen, müssen die unentgeltlichen Wertabgaben beim Gesamtumsatz berücksichtigt werden.

 

Bestimmte steuerfreie Umsätze und steuerfreie Hilfsumsätze dürfen abgezogen werden

Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes sind von den steuerbaren Umsätzen bestimmte steuerfreie Umsätze und steuerfreie Hilfsumsätze abzuziehen. Nicht zu berücksichtigende steuerfreie Umsätze sind zum Beispiel die Erlöse aus Vermietungen oder Verpachtungen von Gebäuden und Grundstücken. Auch ein Verkauf von Grund und Boden oder Gebäuden ist als steuerfreier Hilfsumsatz nicht zu berücksichtigen.

Eine Einschränkung der genannten Regel gibt es: Das Umsatzsteuergesetz räumt Unternehmern unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit ein, einen steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln. Nutzen Sie diese Option, muss dieser Umsatz auch beim Gesamtumsatz mitgerechnet werden.

Beispiel: B erzielt 2021 Umsätze in der Landwirtschaft von 570.000 Euro. Darüber hinaus vermietet B eine Landarbeiterwohnung für 6.000 Euro pro Jahr. Auf den Dächern der Stallgebäude seines Betriebes wurden durch einen Investor Photovoltaikanlagen errichtet. Da die Dächer asbesthaltig waren, mussten diese saniert werden. Um den anteiligen Vorsteuerabzug aus den Kosten der Sanierung zu erhalten, unterwirft B die Dachüberlassung an den Investor per Option der Umsatzsteuer. Die jährliche Zahlung des Investors beträgt netto 12.000 Euro. Im Nebenerwerb handelt B mit Ersatzteilen für Oldtimer-Traktoren und erzielt damit einen Umsatz von 30.000 Euro.

Der Gesamtumsatz des Unternehmers B im Jahr 2021 beträgt 612.000 Euro. Die Wohnungsvermietung bleibt als steuerfreier Umsatz außen vor. Die Dachüberlassung an den Investor erfolgt per Option steuerpflichtig und darf deshalb nicht abgezogen werden. Die Umsätze aus dem Ersatzteilehandel sind ebenfalls zu berücksichtigen. B kann damit im Jahr 2022 die Umsätze aus Landwirtschaft nicht mehr pauschalieren.

 

Gesamtumsatzgrenze ist Nettogrenze

Die Gesamtumsatzgrenze ist eine Nettogrenze, da für die Ermittlung des Gesamtumsatzes die für die Besteuerung in Betracht kommende Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. Das ist anders als beispielsweise bei der Berechnung der Kleinunternehmergrenze.

 

Verkauf von Anlagevermögen

Ein weiterer Unterschied zur Berechnung der Kleinunternehmergrenze besteht hinsichtlich der Veräußerung von Anlagevermögen. Die Umsätze mit Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind im Gesamtumsatz zu berücksichtigen, wenn kein steuerfreier Hilfsumsatz vorliegt.

 

Umsatzsteuer bezieht sich auf das Kalenderjahr

Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine Kalenderjahressteuer. Für die Umsatzbesteuerung ist es irrelevant, ob ein Landwirt den Gewinn seines Betriebes für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ermittelt.

 

Was passiert bei Überschreiten der Umsatzgrenze?

Ein Unternehmer, der 2021 einen Gesamtumsatz von mehr als 600.000 Euro erzielt, ist auch hinsichtlich der Umsätze aus Landwirtschaft im Jahr 2022 zur Regelbesteuerung verpflichtet. Er muss dazu keine Option erklären, sondern wird automatisch zum regelbesteuernden Unternehmer – mit allen rechtlichen Konsequenzen. Er muss regelmäßig Umsatzsteuern anmelden und abführen. Er muss seinen Kunden die Umsatzsteuer von sieben beziehungsweise 19 Prozent in Rechnung stellen und darf im Gegenzug aus den Eingangsleistungen Vorsteuerbeträge abziehen. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorliegen ordnungsgemäßer Eingangsrechnungen. Das ist losgelöst von der Frage, wie hoch die Umsätze des Unternehmens im Jahr 2022 ausfallen. Anders als bei der freiwilligen Option zur Regelbesteuerung sieht das Gesetz keine fünfjährige Bindungsfrist vor.

 

Optieren als Ausweg, um Hin und Her zu vermeiden

Theoretisch kann es künftig in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren zu einem Hin und Her zwischen Regelbesteuerung und Pauschalierung kommen. Ein Landwirt, dessen Gesamtumsatz 2021 über der Grenze von 600.000 Euro liegt und der deshalb 2022 zur Regelbesteuerung verpflichtet ist, wird im Jahr 2023 wieder zum Pauschalierer, sofern sein Gesamtumsatz 2022 unter 600.000 Euro liegt. Der bürokratische Aufwand inklusive Vorsteuerkorrekturen wäre groß. Weil eine genaue Prognose der Umsätze bei volatilen Erzeugerpreisen schwierig ist, kann es überlegenswert sein, von vornherein zur Regelbesteuerung zu optieren, um ein Hin und Her zu vermeiden. Wer das macht, ist allerdings wie bisher für fünf Jahre an die Entscheidung gebunden.

 

Vorsicht vor Missbrauch von Gestaltungsoptionen

Eine andere Überlegung könnte sein, bestimmte Tätigkeiten auf ein anderes Unternehmen auszugliedern. Hierbei wären die Folgen auch in der Einkommen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer zu beachten. Aber auch außersteuerliche Gründe sind dabei zu berücksichtigen. Vorsicht ist geboten bei Betriebsteilungen, die allein zum Erhalt der Umsatzsteuerpauschalierung gestaltet werden. Diese können zu intensiven Diskussionen mit dem Fiskus führen. Das lassen frühere Erlasse der Finanzverwaltung erwarten. Liegt ein außersteuerlicher Grund für eine mögliche Betriebsteilung vor, etwa zur Vorbereitung der Generationennachfolge, sieht die Sache schon anders aus. Die Neuregelung bei der Umsatzbesteuerung könnte in diesem Fall eine Umstrukturierung des Betriebs rechtfertigen.

 

Unser Rat:

Lassen Sie sich rechtzeitig von Ihrer Bezirksstelle über für Sie mögliche Gestaltungsoptionen im Zusammenhang mit der neuen 600.000 Euro-Umsatzgrenze für die Umsatzsteuerpauschalierung beraten.

 

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