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Neuer Anwendungserlass der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuer

Stand:
Thematik: Steuern und Rechnungswesen

Ab 2011 Verschärfungen für pauschalierende Betriebe

Die bisher geltenden Umsatzsteuerrichtlinien werden abgelöst durch einen neuen Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums. Ein wesentlicher formaler Unterschied besteht darin, dass die Umsatzsteuerrichtlinien bisher nur mit Zustimmung des Bundesrates geändert werden konnten. Einen Anwendungserlass kann die Finanzverwaltung ohne Mitwirkung des Bundesrates zukünftig sehr viel leichter und schneller ändern.

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Änderungen im Bereich der Umsatzsteuerpauschalierung in der Land- und Forstwirtschaft.

■  Verkauf von Anlagegütern

Der Verkauf gebrauchter landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte unterliegt grundsätzlich der Regelbesteuerung. Aus Vereinfachungsgründen wird eine Pauschalierung zugelassen, wenn die Anlagegüter von der Anschaffung bis zum Verkauf (Verwendungszeitraum) zu mindestens 95 Prozent im pauschalierenden Betrieb eingesetzt waren.

Beispiel: Einsatz eines Schleppers im Verwendungszeitraum zu 20 Prozent für nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten, zum Beispiel für Dienstleistungen für eine gewerbliche Biogas-Gesellschaft . Der Verkauf oder die Inzahlunggabe des Schleppers unterliegt dem Regelsteuersatz von 19 Prozent. Steht bereits bei Anschaffung des Schleppers fest, dass dieser zu 20 Prozent für sogenannte Regelbesteuerungsumsätze verwendet werden soll, ist auch die Vorsteuer anteilig mit 20 Prozent abzuziehen. Soweit der Schlepper im pauschalierenden Betrieb genutzt wird, ist der Vorsteuerabzug mit der Pauschalierung abgegolten, im Ergebnis ist also kein gesonderter Vorsteuerabzug möglich. Bei einem späteren Verkauf innerhalb des gesetzlichen fünfjährigen Berichtigungszeitraums kann bei einem komplett steuerpflichtigen Verkauf des Schleppers zum Regelsteuersatz von 19 Prozent eine zeitanteilige Vorsteuerberichtigung vorgenommen werden.

■  Verkauf immaterieller Wirtschaftsgüter

Zu den immateriellen Wirtschaftsgütern gehören zum Beispiel Milchreferenzmengen, Zuckerrübenlieferrechte und Zahlungsansprüche.

Der Verkauf von Milchquoten aus einem selbst bewirtschafteten Betrieb unterliegt aus Vereinfachungsgründen der Umsatzsteuerpauschalierung mit 10,7 Prozent. War die Milchquote bereits verpachtet und wird die Milchquote aus dieser Verpachtung heraus veräußert, unterliegt ein Verkauf der Regelbesteuerung mit 19 Prozent. Eine Umsatzsteuerbelastung entsteht nur dann nicht, wenn das gesamte Unternehmen unter die Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro fällt.

■  Verkauf von zugekauften Produkten

Umsätze aus dem Verkauf von zugekauften Produkten unterliegen der Regelbesteuerung, je nach maßgebendem Steuersatz mit 7 oder 19 Prozent Umsatzsteuer.

Werden zugekaufte Produkte im eigenen Betrieb durch landwirtschaftliche Tätigkeiten zu einem Produkt anderer Marktgängigkeit, so gelten diese Erzeugnisse als selbsterzeugte Produkte, die der Umsatzsteuerpauschalierung mit 10,7 Prozent unterliegen.

Beispiel: Zugekaufte Produkte wie Samen, Zwiebeln, Knollen, Stecklinge, Pflanzen oder Tiere werden im eigenen Betrieb bis zur Verkaufsreife kultiviert oder gehalten. Ohne weiteren Nachweis ist dies nach Auffassung der Finanzverwaltung immer dann der Fall, wenn der Zeitraum der Kultivierung beziehungsweise Haltung im eigenen Betrieb mehr als drei Monate umfasst. Der Zeitraum kann im Einzelfall aber auch kürzer sein. So entschied das Finanzgericht Niedersachsen im Jahr 2009, dass die zehntägige Kultivierung von Jungpflanzen im Freigelände bereits ausreicht, um das zugekaufte Produkt zu einem Eigenerzeugnis zu machen.

■  Be- und Verarbeitung selbst erzeugter Erzeugnisse

Werden selbst erzeugte land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse weiter be- oder verarbeitet, sind die Umsatzerlöse nur dann der Pauschalierung zuzurechnen, wenn die be- oder verarbeiteten Erzeugnisse den landwirtschaftlichen Charakter nicht verlieren. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn die so genannte erste Verarbeitungsstufe nicht überschritten wird.

■  Abgrenzung erste/zweite Verarbeitungsstufe

Beispiele: Ein pauschalierender Landwirt A lässt seine Mastschweine von einem gewerblichen Lohnschlachter schlachten und in Hälften zerlegen. Die Schweinehälften werden danach an einen fleischverarbeitenden Betrieb veräußert. Die Schlachtung und grobe Zerlegung in Schlachthälften gehört noch zur ersten Verarbeitungsstufe. Die Lieferung der Schweinehälften unterliegt daher der Umsatzsteuerpauschalierung.

Weitere Beispiele für die erste Bearbeitungsstufe sind:

  • das Vierteln von Mastrindern,
  • Verarbeitung von Milch zu Käse, Joghurt und Sauermilch,
  • das Zerlegen von Kälbern, Schafen und Wild zu Hälften,
  • Verarbeitung von Getreide und Korn zu Schrot.

Ein pauschalierender Landwirt B baut Gurken an und stellt daraus Konserven her. Er viertelt die Gurken und fügt bei der Konservenproduktion Wasser, Essig, Zucker und Gewürze bei. Als Produkt der zweiten Verarbeitungsstufe unterliegt die Lieferung der Gurkenkonserven der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung mit einem Steuersatz von 7 Prozent.

Weitere Beispiele für die zweite Verarbeitungsstufe sind:

  • Verarbeitung von Gemüse zu Gemüsekonserven,
  • Verarbeitung von Getreide zu Brot und Backwaren,
  • Verarbeitung von Kartoffeln zu Chips und Stärke,
  • Verarbeitung von Milch zu Magermilchpulver sowie Joghurt mit Fruchtzusätzen,
  • Verarbeitung von Obst zu Obstkonserven.

 

■  Vermischung von Zukaufprodukten mit Eigenerzeugnissen

Werden selbst erzeugte Produkte untrennbar mit zugekauften Produkten vermischt, unterliegt die Lieferung des Endprodukts aus Vereinfachungsgründen noch der Umsatzsteuerpauschalierung, wenn die Beimischung der zugekauften Produkte einen Anteil von 25 Prozent nicht übersteigt.

Beispiel: Ein Landwirt verpflichtet sich zur Lieferung von 1.000 Kilogramm geschälter Kartoffeln. Da er nur über 700 Kilogramm selbst erzeugte Produkte verfügt, kauft er 300 Kilogramm ungeschälte Kartoffeln hinzu. Die selbst erzeugten und zugekauften Kartoffeln werden in der Schälmaschine vermischt und geschält. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu die Auffassung, dass die Kartoffeln nicht untrennbar miteinander vermischt würden. Hieraus folge, dass der Umsatz aus der Lieferung der selbst erzeugten Kartoffeln ohne Rücksicht auf die prozentuale Zusammensetzung der Gesamtmenge der Umsatzsteuerpauschalierung mit einem Steuersatz von 10,7 Prozent unterläge. Die Umsätze aus den zugekauften Kartoffeln unterlägen der Regelbesteuerung mit einem Steuersatz von sieben Prozent.

Die Finanzverwaltung lässt in dem Anwendungserlass offen, nach welchen Kriterien die 25 Prozent-Grenze zu berechnen ist. Des Weiteren ist unklar, nach welchen Kriterien eine Vermischung als trennbar oder untrennbar abzugrenzen ist.

Insbesondere im Bereich des Gartenbaus (zum Beispiel Umsätze mit Gestecken und gebundenen Blumensträußen) besteht hierzu erheblicher Klärungsbedarf. Eine endgültige Abstimmung mit der Finanzverwaltung hierüber lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

■  Dienstleistungen

Die Anwendung der Umsatzsteuerpauschalierung bei Dienstleistungen durch land- und forstwirtschaftliche Betriebe setzt grundsätzlich voraus, dass diese Dienstleistungen mit Hilfe der Arbeitskräfte und der „normalen Ausrüstung“ des Betriebes erbracht werden. Weiterhin ist Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger ein Land- und Forstwirt ist, bei dem diese Dienstleistung zur landwirtschaftlichen Erzeugung beiträgt. Hieraus folgt, dass sämtliche Dienstleistungen an Nichtlandwirte (Gewerbebetriebe, Kommunen, Privatpersonen usw.) nicht der Umsatzsteuerpauschalierung, sondern der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung zuzurechnen sind.

Grundsätzlich gibt es für den Bereich der Dienstleistungen nach EU-Recht keine betragsmäßige Beschränkung. Dennoch – so die Finanzverwaltung – können Land- und Forstwirte solche Dienstleistungen nicht in unbegrenztem Umfang der Umsatzsteuerpauschalierung zuordnen. Bei Dienstleistungen an andere Landwirte nennt die Finanzverwaltung als Anhaltspunkt eine Grenze von 51.500 Euro. Wird diese Umsatzgrenze im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten, soll eine weitergehende Prüfung erfolgen. Das Überschreiten der Umsatzgrenze alleine schließt damit die Anwendung der Umsatzsteuerpauschalierung noch nicht aus. Es soll erst dann eine Umqualifizierung zur Regelbesteuerung erfolgen, wenn die Maschinen

  • im eigenen Betrieb nicht verwendet werden oder
  • einem nicht betriebstypischen Überbestand zuzurechnen sind oder
  • ausschließlich zur Erbringung solcher Dienstleistungen vorgehalten werden.

■  Abnahme von Klärschlamm und Grüngutabfällen

Landwirte, die Klärschlamm oder Grüngutabfälle abnehmen und als Dünger auf ihren eigenen Flächen ausbringen, erbringen hiermit nach Auffassung der Finanzverwaltung reine Entsorgungsleistungen. Diese Beurteilung sei unabhängig davon, ob der Klärschlamm oder die Grüngutabfälle vor der Ausbringung noch be- oder verarbeitet werden. Da diese Leistungen in der Regel gegenüber Nichtlandwirten erbracht würden, unterlägen die Umsätze der Regelbesteuerung mit 19 Prozent. Dabei sei es unerheblich, ob und inwieweit die zu entsorgenden Stoffe im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Entsorgers Verwendung finden.

■  Dienstleistungen im Zusammenhang mit Pflanzenlieferungen

Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterliegen im Zusammenhang mit Pflanzenlieferungen erbrachte Dienstleistungen, die über den Transport und das Einbringen der Pflanze in den Boden hinaus gehen (zum Beispiel Pflege-, Planungsleistungen, Gartengestaltungen), regelmäßig als einheitliche sonstige Leistungen (Dienstleistung) der Regelbesteuerung mit 19 Prozent.