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Gastvortrag zur Arbeit der Zukunftskommission Landwirtschaft und zu den künftigen Herausforderungen für landwirtschaftliche Betriebe – Landwirtschaft mit Zukunft!

Stand:
Thematik: Betriebswirtschaft

Was bedeuten die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft für die Unternehmen? Und wie können sich Landwirte auf die Veränderungen bei den Direkthilfen einstellen, die sich ab 2023 durch die neue gemeinsame Agrarpolitik der EU ergeben? Kammerpräsidentin Ute Volquardsen und Agrarökonom Professor Dr. Uwe Latacz- Lohmann gaben anlässlich der Mitgliederversammlung am 17. November Antworten auf diese Fragen.

„Landwirtschaft mit Zukunft!“, unter dieses Leitthema hatte der Landwirtschaftliche Buchführungsverband seine diesjährige Mitgliederversammlung gestellt. Damit griff er die kontroversen öffentlichen Diskussionen der vergangenen Monate über eine nachhaltige Landwirtschaft auf. Den Gastvortrag teilten sich Kammerpräsidentin Ute Volquardsen und Agrarökonom Professor Dr. Uwe Latacz-Lohmann von der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel.

 

Perspektivwechsel wichtige Errungenschaft der ZKL

„Es rollt eine Welle an Veränderungen auf uns zu“, sagte Volquardsen. Die Landwirte seien grundsätzlich zu Veränderungen bereit. Allerdings sei die Komplexität der Herausforderungen immens groß. Mehr Tierwohl, weniger Emissionen, mehr Ausgleichsfläche, mehr Insektenschutz, mehr Diversität, weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Düngung, gleichzeitig aber auch eine ausreichende Versorgung der wachsenden Menschheit mit Nahrungsmitteln – die Forderungen an die Landwirtschaft sind vielfältig und müssen mit dem Ziel der Landwirte in Einklang gebracht werden, ein angemessenes Einkommen für ihre Familien zu erwirtschaften.

Als Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) habe sie miterlebt, wie mühsam und aufwendig Einigungsprozesse sind, aber auch wie wertvoll. Die ZKL war im Herbst 2019 von der Bundesregierung als Reaktion auf die Bauernproteste und die Fridays for Future- Bewegung einberufen worden. 32 Führungspersönlichkeiten aus den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft und Verbraucher, Umwelt- und Tierschutz sowie der Wissenschaft hatten die Aufgabe, Empfehlungen für eine ökologisch und ökonomisch tragfähige und sozial verträgliche Landwirtschaft zu erarbeiten.

Volquardsen wurde in ihrer Funktion als Vize-Präsidentin des Verbandes der Landwirtschaftskammern in die ZKL berufen. Sie berichtete von ihren Begegnungen mit der Kanzlerin, von der Bildung von Arbeitsgruppen und vom Aufeinanderprallen völlig konträrer Sichtweisen, bevor sie die Empfehlungen der ZKL im Detail vorstellte.

Zwar sollen die Effekte der Landwirtschaft auf Boden, Wasser, Luft, Flora und Fauna so weit wie möglich begrenzt werden. Zu den wesentlichen Ergebnissen gehört aber die Priorisierung von marktwirtschaftlichen Instrumenten vor Ordnungsrecht, was Volquardsen positiv bewertete. Zudem soll den Betrieben Zeit für Anpassungen eingeräumt werden. Erfreulich sei auch, dass die Neugestaltung der Landwirtschaft nunmehr als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werde. „Die ZKL ermöglicht einen Perspektivwechsel und befreit die Diskussion von der Schuldzuweisung an die Landwirte.“

Ute Volquardsen appellierte an die landwirtschaftlichen Unternehmer, aktiv und lösungsorientiert zu bleiben und Veränderungen anzunehmen. Sie verwies darauf, dass die Höfe in ihrer Nachbarschaft noch vor dreißig Jahren alle etwa gleich aufgestellt waren. Heute sei das anders, heute seien die Betriebe nicht mehr vergleichbar. Jeder Landwirt müsse betriebsindividuell das eigene Unternehmen entwickeln. „Landwirtschaft von der Stange wird es nicht mehr geben.“

 

Eco-Schemes: Rechtssicherheit ja, aber Risiken bei der Prämienhöhe

Professor Latacz-Lohmann ging ausführlich auf die Direktzahlungen der EU an die Landwirtschaft ein. Eco- Schemes heißen die neuen Umweltmaßnahmen, die ab 2023 Teil der Direktzahlungen werden. Landwirte können an diesen Maßnahmen freiwillig teilnehmen, wofür sie eine Prämie erhalten. Weil aber kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt wird, geht die Finanzierung der Eco-Schemes vollständig zu Lasten der Basisprämie.

Latacz-Lohmann rechnete vor, dass Deutschland für 2023 nach Umschichtung von zehn Prozent der EU-Gelder in die 2. Säule der Agrarpolitik rund 4,4 Milliarden Euro für Direktzahlungen an die Landwirte zur Verfügung stehen. Ein Viertel davon wird auf die neue Eco- Schemes-Prämie entfallen. Umgerechnet auf die Fläche ergäbe sich eine Eco-Schemes-Prämie von rund 66 Euro je Hektar. Für die Junglandwirteförderung (zwei Prozent der Mittel) und die neue Weidetierprämie (ebenfalls zwei Prozent) führte der Ökonom analoge Berechnungen durch. Weiterhin geben soll es die Umverteilungsprämie zur besonderen Förderung kleinerer Betriebe. Unter dem Strich errechnete Latacz-Lohmann für 2023 eine Basisprämie von nur noch rund 156 statt bislang 175 Euro je Hektar.

Eine Auswertung von etwa 600 Testbetriebsabschlüssen aus Schleswig-Holstein zeige, dass über alle Betriebsarten hinweg das Prämieneinkommen im Schnitt um 83 Euro je Hektar sinkt. Nicht berücksichtigt wurde dabei die Eco-Schemes-Prämie von 66 Euro je Hektar, da sie vom Landwirt mit eigenem Aufwand verdient werden müsse. Weiteres Ergebnis der Analyse: Kleinere Betriebe verlieren im Schnitt weniger als größere.

Die Eco-Schemes werden als einjährige Maßnahmen definiert. Es gibt einen Rechtsanspruch auf die Zahlung, der aber nur scheinbar Planungssicherheit vermittelt. „Es besteht die Möglichkeit, dass das Budget für die Eco- Schemes überzeichnet wird. Dann müssen die Prämien gekürzt werden“, erläuterte der Professor. Interessant sei, dass es für die Staaten zwei Möglichkeiten der Prämienkalkulation gebe, entweder kostenorientiert oder als Aufschlag auf die Basisprämie. „Die Politik kann eine Anreizkomponente bieten, und die Betriebe können Umweltschutz als Betriebszweig mit Gewinnmöglichkeit etablieren.“

Latacz-Lohmann stellte verschiedene Eco-Schemes auf Acker- und Grünland vor und zeigte das Zusammenspiel von Eco-Schemes mit anderen Grundbedingungen. Für die Maßnahme „Grünbrache auf Ackerland“ etwa kann der Landwirt bis zu fünf Prozent seiner Ackerfläche einbringen – allerdings nur zusätzlich zur „nicht produktiven Fläche“, wie sie in den Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen (GLÖZ) definiert ist. Der Unternehmer verpflichtet sich, die Brache mit Selbstbegrünung vom 01.01. bis zum 15.08. nicht zu nutzen. Als Prämie ist für das erste Prozent eingebrachter Ackerfläche ein Betrag von 1.300 Euro je Hektar vorgesehen (vorbehaltlich möglicher Kürzung wegen Überzeichnung des Budgets), für darüber hinaus gehende Flächenanteile sinkt der Prämienbetrag dann auf 500 Euro je Hektar, ab drei Prozent der Ackerfläche sogar auf 300 Euro je Hektar ab. Das Einstiegsangebot von 1.300 Euro je Hektar hält der Professor für sehr attraktiv: „Da wird jeder mitmachen.“ Zu beachten sei aber eine weitere Grundbedingung: Landwirte müssen in jedem Jahr die Frucht wechseln (Neuformulierung GLÖZ 8). Für intensive Milchviehbetriebe mit einem hohen Maisanteil könne das zum Problem werden, sagte Latacz-Lohmann.

Insgesamt fiel sein Fazit nach Analyse weiterer Eco- Schemes gemischt aus: Die Teilnahme kann für den Landwirt betriebswirtschaftlich lohnend sein, vor allem dann, wenn der Betrieb die Bedingungen einer Maßnahme ohnehin schon erfüllt.