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Innergemeinschaftliche Warenlieferungen

Stand:
Thematik: Steuern und Rechnungswesen

Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Geschäften

Viele deutsche Unternehmen profitieren vom Europäischen Binnenmarkt. Zu den Akteuren zählen auch Landwirte, die ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse an Händler in anderen EU-Mitgliedsstaaten verkaufen und/oder Waren aus anderen EU-Staaten einkaufen. Für diese innergemeinschaftlichen Warenlieferungen sind insbesondere bei der Umsatzsteuer einige besondere Regelungen zu beachten.

Deutsche Landwirte unterliegen grundsätzlich der umsatzsteuerlichen Pauschalierung. Dies bedeutet, dass der Verkauf von Eigenerzeugnissen mit dem Steuersatz von 10,7 Prozent besteuert wird. Diese Umsatzsteuer müssen die Landwirte nicht an das Finanzamt abführen. Umgekehrt bekommen Pauschalierer die beim Einkauf gezahlte Umsatzsteuer aber auch nicht vom Finanzamt als Vorsteuer erstattet. Deutsche Landwirte haben aber die Option, zur allgemeinen Regelbesteuerung zu wechseln. In diesem Fall werden die ausgeführten Umsätze mit einer Umsatzsteuer von 7 oder 19 Prozent belastet, die an das Finanzamt abzuführen ist, und gleichzeitig kann für eingekaufte Waren und Dienstleistungen ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Welche Besonderheiten Pauschalierer und Regelbesteuerer bei Warenlieferungen an oder von Unternehmen aus europäischen Nachbarländern zu berücksichtigen haben, wird im Folgenden anhand von vier häufig auftretenden Praxisbeispielen dargestellt.

Umsatzbesteuerung einer Lieferung in ein anderes EU-Mitgliedsland

Lieferung durch einen pauschalierenden Landwirt

Verkauft ein pauschalierender Landwirt aus Deutschland selbst erzeugte Produkte wie zum Beispiel Getreide, Gemüse oder Vieh an einen Unternehmer aus dem EU-Ausland (im Folgenden kurz EU-Unternehmer), hat er 10,7 Prozent Umsatzsteuer in der Rechnung auszuweisen. Gegenüber einer normalen Lieferung an einen deutschen Abnehmer besteht somit kein Unterschied.

Es liegt zwar eine sogenannte innergemeinschaftliche Lieferung vor, die beim Pauschalierer aber ausdrücklich nicht umsatzsteuerfrei ist.

Auch beim Verkauf von gebrauchten Maschinen in EU-Nachbarländer ist eine Umsatzsteuer von 10,7 Prozent in Rechnung zu stellen, sofern die Maschine zu mindestens 95 Prozent für land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten eingesetzt wurde. Sind mit der Maschine auch Dienstleistungen an Nicht-Landwirte wie zum Beispiel Schneeräumarbeiten für Gemeinden oder gewerbliche Unternehmen erbracht worden, die einen Umfang von 5 Prozent überschreiten, müssen 19 Prozent Umsatzsteuer ausgewiesen und an das Finanzamt abgeführt werden.

Im Unterschied zu einer Lieferung an einen deutschen Abnehmer muss in der Rechnung des deutschen Landwirts neben den üblichen Angaben sowohl die eigene als auch die Umsatzsteueridentifikationsnummer des EU-Unternehmers aufgeführt sein. Außerdem ist der deutsche Landwirt verpflichtet, über die Verkäufe in andere EU-Länder eine sogenannte Zusammenfassende Meldung an das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn abzugeben. Diese Angaben sind erforderlich, da sich der EU-Unternehmer die deutsche Umsatzsteuer in seinem Land unter den dortigen Voraussetzungen von der zuständigen Finanzbehörde erstatten lassen kann.

Lieferung durch einen regelbesteuernden Landwirt

Der Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen durch einen regelbesteuernden Landwirt an einen EU-Unternehmer ist als innergemeinschaftliche Warenlieferung in Deutschland von der Umsatzsteuer befreit. Die Rechnungstellung des deutschen Landwirts erfolgt somit netto ohne Umsatzsteuerausweis, aber mit einem Hinweis auf die Steuerfreiheit. Voraussetzung dafür ist, dass die landwirtschaftlichen Erzeugnisse physisch in den anderen EU-Mitgliedstaat gelangen und dort für das Unternehmen des Erwerbers bestimmt sind. Des Weiteren muss der deutsche Landwirt eine Zusammenfassende Meldung an das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn abgeben.

Umsatzbesteuerung eines Erwerbs aus einem anderen EU-Mitgliedsland

Erwerb durch einen pauschalierenden Landwirt

Kauft ein pauschalierender Landwirt aus Deutschland Dünger, Vieh oder Maschinen von einem EU-Unternehmen ein, ist die umsatzsteuerliche Behandlung komplizierter. Der Grund dafür ist die für pauschalierende Landwirte geltende Erwerbsschwelle von 12.500 Euro. Ist in anderen EU-Staaten im letzten Kalenderjahr insgesamt für mehr als 12.500 Euro eingekauft worden oder wird diese Grenze nach Einschätzung zu Kalenderjahresbeginn voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr überschritten, muss der deutsche Landwirt die Umsatzsteuer von 7 oder 19 Prozent an sein hiesiges Finanzamt abführen. Ein Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb steht ihm – wie bei einem Einkauf in Deutschland – nicht zu.

Im anderen EU-Land ist der Verkauf von der Steuer befreit, sodass der liefernde Unternehmer eine Rechnung mit Nettobetrag ausstellen muss. Das gilt auch, wenn Veräußerer ein Landwirt ist, wenn in dem betreffenden EU-Land kein System der Umsatzsteuerpauschalierung existiert. Bei Geschäften mit EU-Ländern mit einem System der Umsatzsteuerpauschalierung, wie zum Beispiel Polen, kann es für den Lieferanten im Einzelfall anders aussehen.

Wurde die Erwerbsschwelle von 12.500 Euro im vergangenen Jahr nicht überschritten und wird dies auch im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht der Fall sein, hat der pauschalierende Landwirt ein Wahlrecht, die Waren entweder mit der Umsatzsteuer des betreffenden EU-Landes zu versteuern oder auf die Anwendung der Erwerbsschwellenregelung zu verzichten und den Kauf der Waren in Deutschland mit 7 Prozent oder 19 Prozent – ohne Vorsteuerabzug – zu versteuern.

Der Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwellenregelung muss beim deutschen Finanzamt erklärt werden und bindet den pauschalierenden Landwirt für alle Einkäufe aus anderen EU-Staaten für zwei Kalenderjahre. Aus diesem Grund sollte vorausschauend geplant und geprüft werden, ob ein Verzicht auf die Erwerbsschwelle sinnvoll ist. Bezieht der pauschalierende Landwirt zum Beispiel ausschließlich Waren aus Dänemark, ist ein Verzicht auf die Erwerbsschwelle regelmäßig ratsam, da in Dänemark mit 25 Prozent ein deutlich höherer Umsatzsteuersatz als in Deutschland gilt. In einigen Ländern der EU sind die Umsatzsteuersätze aber auch niedriger als in Deutschland (siehe Übersicht).

Sowohl bei Verzicht als auch bei der Überschreitung der Erwerbsschwelle muss dem Verkäufer für die Rechnungserstellung die Umsatzsteueridentifikationsnummer mitgeteilt werden.

Erwerb durch einen regelbesteuernden Landwirt

Wenn ein regelbesteuernder Landwirt aus Deutschland Produkte von einem EU-Unternehmen einkauft, ist für diesen innergemeinschaftlichen Erwerb vom deutschen Landwirt ein Umsatzsteuersatz von 7 oder 19 Prozent in Deutschland zu entrichten. Außerdem kann er einen Vorsteuerabzug in gleicher Höhe geltend machen. Den deutschen Landwirt trifft daher insgesamt keine Umsatzsteuerzahllast.

Um dem Verkäufer aus dem anderen EU-Land nachweisen zu können, dass die Waren für das Unternehmen des regelbesteuernden deutschen Landwirts bezogen werden, muss er dem EU-Unternehmer seine Umsatzsteueridentifikationsnummer mitteilen.

Sonderfall: Kauf von neuen Schleppern

Wird ein Schlepper in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworben, der nicht älter als ein halbes Jahr ist, muss, unabhängig davon, ob der Landwirt die Regelbesteuerung oder die Pauschalierung anwendet, ein innergemeinschaftlicher Erwerb in Deutschland versteuert werden.

Die zuvor dargestellten Regeln sind auch zu beachten, wenn Gegenstände unternehmensintern aus einem Betriebsteil im Ausland dauerhaft nach Deutschland gelangen. Hat ein deutscher Landwirt beispielsweise Anbauflächen in Dänemark oder Polen und bringt er die Ernte nach Deutschland, um sie hier zu verkaufen, oder entnimmt er seinem dänischen oder polnischen Betriebsteil Pflanzenschutzmittel zur Anwendung hierzulande, unterliegt das Verbringen der Erwerbsbesteuerung in Deutschland.